U-Ausschuss zur Klimastiftung: Schröder verteidigt Pipeline-Politik – Reue bleibt aus
Politisches Theater mit begrenztem Erkenntnisgewinn
Schröder vor Untersuchungsausschuss – Der parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zur umstrittenen Klimastiftung hat mit der Befragung von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) einen vorläufigen Höhepunkt erreicht – zumindest was mediale Aufmerksamkeit und symbolische Schärfe betrifft.
In der Sache selbst brachte der Auftritt hingegen nur wenig neue Erkenntnisse. Schröder zeigte sich wie gewohnt unbeirrt, selbstbewusst – und in weiten Teilen unkooperativ.
Dass der ehemalige Kanzler keinen Anlass zur Selbstkritik sieht, wurde schnell deutlich. Er ließ durchblicken, dass er seinen Einsatz für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 sowie für die Gründung der Klimastiftung MV nicht nur für richtig hielt, sondern auch bis heute für gerechtfertigt hält.
Weder äußerte er Zweifel an den damaligen Entscheidungen, noch zeigte er Bereitschaft, Verbindungen zur heutigen geopolitischen Lage einzugestehen.
Schröder aus Hannover zugeschaltet – ein Auftritt mit Ansage
Aus gesundheitlichen Gründen erschien Schröder nicht persönlich im Schweriner Landtag, sondern wurde aus seinem Büro in Hannover per Videokonferenz zugeschaltet. Der 80-Jährige hatte im Frühjahr ein Burnout erlitten und eine persönliche Teilnahme zunächst abgelehnt.
Erst ein späteres Schreiben vom April brachte ihn dazu, sich doch dem Ausschuss zu stellen – wenn auch in reduzierter Form.
Schon vorab war klar: Schröder würde seinen politischen Kurs nicht relativieren. Sein Eingangsstatement, das bereits schriftlich vorgelegen hatte, war eine klare Verteidigung seiner Haltung.
Der Bau von Nord Stream 2 sei „folgerichtig“ gewesen, die Klimastiftung ein geeignetes Instrument, um das Projekt gegen ausländische – insbesondere US-amerikanische – Einmischung abzusichern. Dass die Stiftung nebenbei auch klimapolitische Ziele verfolgen sollte, betrachtete er eher als Nebenaspekt denn als Kernauftrag.
Erinnerungslücken, Ausweichmanöver und spitze Bemerkungen – Schröder vor Untersuchungsausschuss
Die anschließende Befragung geriet zur Zähmung eines Altkanzlers, der sich zwar präsentierte, aber wenig zur Aufklärung beitrug. Auffällig oft verwies Schröder auf Erinnerungslücken. Fragen zu konkreten Gesprächen, Entscheidungswegen oder Details rund um die Stiftung beantwortete er mit Floskeln wie „Das kann ich Ihnen im Einzelnen nicht mehr sagen“ oder „Keine Ahnung“.
Dass Schröder durchaus in der Lage ist, präzise zu sein, zeigte er, wenn er Persönlichkeiten bewertete: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nannte er sachkundig und menschlich angenehm, Nord-Stream-Manager Matthias Warnig attestierte er exzellente Arbeit und völlige Vertrauenswürdigkeit.

Auch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Sellering und dem Energieminister Christian Pegel sei er regelmäßig im Gespräch gewesen, um „nach Möglichkeit zu helfen“.
Was er nicht zu sagen bereit war: Wer konkret die Idee zur Stiftung hatte, welche Rollen einzelne Landespolitiker bei der Finanzierung durch die Nord Stream 2 AG spielten – und ob Russland direkten Einfluss auf das Konstrukt nahm.
Keine Distanz zur Pipeline – und keine zur Vergangenheit – Schröder vor Untersuchungsausschuss
In Bezug auf seine Rolle in der deutsch-russischen Energiepartnerschaft zeigte sich Schröder deutlich. Er stellte klar, dass Deutschland eine sichere Energieversorgung gebraucht habe, insbesondere nach dem Ausstieg aus der Kernenergie.
Erdgas aus Russland sei nicht nur verlässlich, sondern auch günstig gewesen.
Dass Deutschland und Russland sich in dieser Frage einig gewesen seien, sei auch Ergebnis seiner Gespräche mit Wladimir Putin – und, so Schröder, auch mit Angela Merkel.
Er sprach von einem energiepolitischen Konsens, in dem er sich selbst als Mittler verstand. Merkel und er hätten sich über Fragen der Versorgungssicherheit und Pipeline-Strategie regelmäßig ausgetauscht. Dass beide auf offizielle Unterlagen zu Nord Stream ihre Unterschrift gesetzt hätten, sei Ausdruck gemeinsamer Überzeugung.
Schröder vor Untersuchungsausschuss – Kein Zusammenhang zwischen Pipeline und Krieg?
Brisant wurde es bei der Frage, ob Schröder im Rückblick einen Zusammenhang zwischen dem Bau von Nord Stream 2 und dem späteren russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sehe.
Hier blieb der Altkanzler konsequent ausweichend.
Er „bedauere“ zwar den Krieg, sehe aber keinen Grund, das Projekt rückblickend infrage zu stellen oder sich davon zu distanzieren.
Auch ein möglicher geopolitischer Missbrauch der Abhängigkeit durch Russland wurde von Schröder nicht thematisiert. Eine kritische Selbstreflexion – etwa darüber, ob seine jahrelange Nähe zum Kreml strategisch problematisch gewesen sei – blieb aus. Fragen in diese Richtung quittierte er zunehmend gereizt.
Gereizter Ton und verbale Seitenhiebe – Schröder vor Untersuchungsausschuss
Was zu Beginn noch halb ironisch, halb charmant wirkte, schlug mit Fortdauer der Befragung in offenen Unmut um. Schröder kommentierte einzelne Fragen mit spöttischen Bemerkungen, stellte deren Sinn infrage und forderte den Ausschussvorsitzenden sogar mehrfach auf, „unsinnige“ oder „lächerliche“ Fragen zu unterbinden.
Gleichzeitig bedankte er sich am Ende der Sitzung artig bei CDU-Mann Sebastian Ehlers für die „faire Sitzungsleitung“ – ein diplomatischer Schlussakkord nach einem durchaus konfrontativen Auftritt.
Kritik aus allen politischen Lagern – Schröder vor Untersuchungsausschuss
Die Reaktionen auf Schröders Aussage ließen nicht lange auf sich warten – und fielen parteiübergreifend kritisch aus. Ausschussmitglieder äußerten sich enttäuscht über den Erkenntnisgewinn.
Vor allem Schröders Weigerung, die Krim-Annexion als solche zu benennen, sorgte für Stirnrunzeln. Noch immer sprach er lediglich von einer „Intervention“, was als Verharmlosung des völkerrechtswidrigen Vorgehens Russlands gewertet wurde.
Vertreter von Grünen, FDP und CDU kritisierten auch, dass Schröder keinerlei Verbindung zwischen der Energieabhängigkeit Deutschlands und dem russischen Krieg gegen die Ukraine erkennen wollte.
Der grüne Abgeordnete Hannes Damm bezeichnete diese Haltung als „bedenklich“ und „verantwortungslos“. René Domke (FDP) sprach von einer „verpassten Chance zur Einsicht“. Es sei offensichtlich, dass Schröder seine Sichtweise nicht überdacht habe – und offenbar auch nicht vorhabe, dies in Zukunft zu tun.
Zweiter Zeuge: Helge Braun verteidigt zurückhaltende Rolle des Bundes
Im Anschluss an Schröders Auftritt wurde Helge Braun (CDU), früherer Kanzleramtschef unter Merkel und heutiger Präsident der Universität Lübeck, als Zeuge befragt. Braun erläuterte, dass die Stiftung stets als Angelegenheit des Landes Mecklenburg-Vorpommern betrachtet worden sei.
Die Bundesregierung habe sich nicht eingemischt – auch nicht, als erste Sanktionen seitens der USA gegen Projektbeteiligte diskutiert wurden.
Braun erklärte, man habe keine Veranlassung gesehen, einzugreifen, da die Pipeline als wirtschaftliches Projekt behandelt wurde. Auch auf europäische Kritik habe die Bundesregierung stets mit dem Verweis reagiert, dass der Staat in unternehmerische Entscheidungen nicht direkt eingreifen dürfe – abgesehen von Genehmigungs- und Aufsichtsfragen.
Hintergrund: Die Stiftung und ihre Ziele – Schröder vor Untersuchungsausschuss
Die Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern war Anfang 2021 gegründet worden, offiziell zur Förderung ökologischer Projekte. De facto wurde sie jedoch mit etwa 20 Millionen Euro von der Nord Stream 2 AG ausgestattet – mit dem Ziel, den Bau der Pipeline trotz US-Sanktionen durchzusetzen.
Die Stiftung sollte als Puffer agieren, um deutsche Unternehmen zu schützen und den Bau fortzusetzen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.
Dass eine solche Konstruktion – mit Segen der Landesregierung und unter Mitwirkung eines ehemaligen Bundeskanzlers – überhaupt möglich war, beschäftigt seitdem die Landes- und Bundespolitik. Kritiker sprechen von einer „Schattenstruktur zur Umgehung von Sanktionen“.
Der Ausschuss bleibt am Ball – Schröder vor Untersuchungsausschuss
Der Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit mit Schröders Vernehmung keineswegs abgeschlossen. Weitere politische Schwergewichte sind bereits geladen:
Am 7. November sollen die früheren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Peter Altmaier (CDU) aussagen. Zwei Wochen später, am 21. November, ist Altkanzler Olaf Scholz (SPD) an der Reihe.
Ziel ist es, die politischen Netzwerke und Entscheidungswege rund um Nord Stream 2 sowie die Stiftung transparent aufzuarbeiten – und möglichen russischen Einfluss auf deutsche Institutionen sichtbar zu machen.
Ein Altkanzler trotzt der Aufarbeitung – Schröder vor Untersuchungsausschuss
Die Aussage Gerhard Schröders war kein Befreiungsschlag – weder für ihn selbst noch für die Ausschussarbeit. Sie war vielmehr das Porträt eines Mannes, der seiner Linie treu bleibt, gegen jede Kritik immun wirkt und sich selbst als unbeirrbarer Realpolitiker inszeniert.
Dass Schröder die politische und moralische Debatte rund um Nord Stream 2 offenbar als abgeschlossen betrachtet, mag ihm persönlich Erleichterung verschaffen. Für den Untersuchungsausschuss hingegen bleiben viele Fragen offen – und die Hoffnung, dass kommende Zeugen mehr Licht ins Dickicht der deutsch-russischen Energieverflechtungen bringen.
Schröder vor Untersuchungsausschuss – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.