2002: Bundestag hebt NS-Unrechtsurteile gegen Deserteure und Homosexuelle auf
Bundestag hebt NS-Unrechtsurteile auf – Ein verspäteter Akt der Gerechtigkeit – Rehabilitierung für lange ausgegrenzte Opfergruppen
Parlament korrigiert Jahrzehnte der Ausgrenzung
Am 17. Mai 2002 setzte der Deutsche Bundestag einen historischen Schritt zur Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts:
Mit einer Änderung des Gesetzes zur Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen wurden nun endlich auch die Urteile gegen Deserteure, Homosexuelle, Wehrdienstverweigerer und weitere Opfer der NS-Militärjustiz pauschal aufgehoben.
Damit endete eine jahrzehntelange Verzögerung in der juristischen und moralischen Rehabilitierung von Menschen, die unter dem NS-Regime als „Volksschädlinge“ stigmatisiert, verurteilt, gequält oder hingerichtet worden waren – allein wegen ihrer Identität, Überzeugung oder Menschlichkeit.
Unwürdige Einzelfallprüfung hat ein Ende
Bereits 1998 hatte der Bundestag ein erstes Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile verabschiedet. Doch die gesetzliche Regelung war unzureichend:
Viele Betroffene blieben ausgeklammert, insbesondere Homosexuelle und Deserteure.
Andere mussten eine Einzelfallprüfung durchlaufen – oft verbunden mit einer entwürdigenden Bewertung ihrer damaligen „Gesinnung“ oder „moralischen Reife“.
Das führte dazu, dass in manchen Fällen NS-Urteile juristisch weiter Bestand hatten, wenn sich zum Beispiel im Verfahren eine geringfügige „Begleittat“ wie ein Diebstahl feststellen ließ.
Diese Praxis wird mit dem Änderungsgesetz von 2002 nun endgültig beendet.
Zehntausende Urteile, Tausende Hinrichtungen
Die NS-Militärjustiz hatte während des Zweiten Weltkriegs mehrere zehntausend Todesurteile verhängt – viele davon gegen Soldaten, die desertiert waren oder sich der Wehrmacht verweigerten.
Noch weitaus mehr wurden zu langen Haftstrafen, Zwangsarbeit oder KZ-Haft verurteilt. Besonders perfide:
Diese Menschen galten selbst nach Kriegsende oft noch als vorbestraft, wurden von der Gesellschaft ausgegrenzt und konnten kaum Wiedergutmachung erwarten.
Gleiches galt für Männer, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen nach dem berüchtigten §175 StGB verurteilt worden waren – ein Paragraf, der auch nach 1945 weiter Bestand hatte und erst 1994 vollständig gestrichen wurde.
Symbolische und rechtliche Bedeutung
Mit dem Beschluss vom 17. Mai 2002 erkennt der Bundestag alle Urteile gegen Deserteure, Wehrkraftzersetzer, Homosexuelle, Kriegsdienstverweigerer und vergleichbare Gruppen pauschal als Unrecht an.
Das Gesetz bewirkt:
- Juristische Rehabilitierung ohne Einzelfallprüfung
- Aufhebung der Vorstrafen im Bundeszentralregister
- Symbolische Rehabilitierung durch das Parlament der Bundesrepublik Deutschland
Der Tag markiert damit nicht nur ein politisches, sondern auch ein moralisches Schuldeingeständnis gegenüber den zu Unrecht verurteilten und lange übergangenen Opfern.
Reaktionen: Späte Genugtuung – aber auch Kritik
Menschenrechtsgruppen, Historikerinnen und Verbände ehemaliger NS-Opfer begrüßten das Gesetz ausdrücklich.

Viele Überlebende oder ihre Angehörigen empfanden die Entscheidung jedoch auch als zu spät gekommen.
Zahlreiche Betroffene waren zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben, viele hatten ihr ganzes Leben unter dem Stigma der NS-Verurteilung gelitten – ohne Anerkennung, Entschädigung oder Entschuldigung.
Ein Schritt in der langen Aufarbeitung – Bundestag hebt NS-Unrechtsurteile auf
Das Änderungsgesetz von 2002 reiht sich ein in eine Serie politischer Korrekturen, die seit den 1990er Jahren das Verhältnis der Bundesrepublik zu ihrer NS-Vergangenheit kritisch überprüft.
Neben der Entschädigung jüdischer Zwangsarbeiter und der Anerkennung der Sinti und Roma als Opfergruppe war die Aufhebung der NS-Militärurteile ein lange überfälliger Schritt.
Der Staat erkennt Unrecht an – Bundestag hebt NS-Unrechtsurteile auf
Mit der Entscheidung vom 17. Mai 2002 schließt der Bundestag eine wichtige Lücke in der historischen und rechtlichen Aufarbeitung der NS-Zeit.
Die Anerkennung des Unrechts gegenüber Deserteuren, Homosexuellen und anderen Opfergruppen ist ein Akt der späten Gerechtigkeit, der zeigt:
Auch Jahrzehnte nach dem Ende der Diktatur bleibt der Auftrag zur Erinnerung und Wiedergutmachung bestehen.
Es ist eine Lehre aus der Geschichte – und ein Versprechen an die Zukunft.
Bundestag hebt NS-Unrechtsurteile auf – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.
Bundestag hebt NS-Unrechtsurteile auf Foto: Ievgen Skrypko / adobe.com