Das gedruckte Wissen stirbt leise: Bertelsmann erklärt 2013 das Ende des Brockhaus-Lexikons
Ende des Brockhaus-Lexikons – Am 11. Juni 2013 endet eine Ära des gedruckten Wissens:
Das Medienunternehmen Bertelsmann kündigt an, sich vollständig aus dem Geschäft mit klassischen Lexika zurückzuziehen.
Damit ist auch das offizielle Ende der gedruckten Brockhaus-Enzyklopädie besiegelt – einst das Flaggschiff bürgerlicher Bildung in Deutschland.
Ein Abschied mit leisen Tönen, aber großer symbolischer Kraft.
Brockhaus: Vom bürgerlichen Wissensideal zum digitalen Museumsstück
Die Geschichte des Brockhaus beginnt im Jahr 1796, als der Hallenser Verleger Renatus Gotthelf Löbel das erste „Conversations-Lexicon“ herausgibt – gedacht als Nachschlagewerk für das gebildete Bürgertum, das sich Wissen in geselliger Form aneignen möchte.
Bereits 1808 übernimmt der Verleger Friedrich Arnold Brockhaus das Werk und entwickelt es weiter zu einem der renommiertesten Lexika Europas.
Im Laufe der Jahrhunderte wird der Brockhaus zum Symbol der Bildungsbürgerlichkeit in Deutschland.
Wer ihn im Regal hatte, zeigte nicht nur Wissen – sondern auch Haltung.
Das Lexikon durchlief Kriege, politische Umbrüche und technische Revolutionen – doch im digitalen Zeitalter schien es seinen Platz endgültig verloren zu haben.
Ein geteiltes Werk: Brockhaus in Ost und West
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verlag in Leipzig verstaatlicht und firmierte in der DDR als „VEB Brockhaus Leipzig“.
Parallel dazu existierte im Westen – genauer in Wiesbaden – der traditionsreiche F. A. Brockhaus Verlag weiter.
Erst 1984 kam es zur Fusion mit dem Bibliographischen Institut, dem Herausgeber des Duden, zur Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG.
Nach der Wiedervereinigung ging auch der Leipziger Betrieb in den westdeutschen Konzern über – ein symbolischer Akt der Wiedervereinigung auf bildungspolitischer Ebene.
Doch das Zeitalter der Enzyklopädien war da bereits im Sinkflug.
Bertelsmann übernimmt – und gibt auf
2008 erwarb Bertelsmann die Markenrechte und versuchte, das Lexikon in die digitale Zeit zu retten. Bereits seit 2002 war der Brockhaus auf CD-ROM und DVD erhältlich – doch der Fortschritt holte ihn ein:
Wikipedia, 2001 gegründet, wurde binnen weniger Jahre zur weltweit genutzten Informationsquelle. Kostenlos, tagesaktuell, dynamisch.

Die gedruckten Bände dagegen, oft im vierstelligen Preisbereich, wirkten plötzlich wie Relikte aus einer anderen Zeit.
Trotz redaktioneller Qualität und verlässlicher Quellenbasis: Der Markt war weg. Bertelsmanns Versuch, die Enzyklopädie als Online-Bezahldienst zu etablieren, scheiterte am digitalen Zeitgeist.
Am 11. Juni 2013 folgte schließlich der Schlussstrich: Bertelsmann erklärt das Ende der gedruckten Brockhaus-Enzyklopädie.
Ein leises Sterben – aber kein endgültiges Verschwinden
Obwohl der Brockhaus 2013 als Printprodukt aufgegeben wurde, verschwand die Marke nicht vollständig. 2015 wurde sie vom Verlag der Schwedischen Nationalenzyklopädie übernommen.
Seither entwickelt sich Brockhaus.de zu einem digitalen Bildungsanbieter, insbesondere für Schulen und Hochschulen. Die Marke lebt weiter – nicht mehr im Bücherregal, sondern auf dem Smartboard.
Ende des Brockhaus-Lexikons – Zwischen Nostalgie und Notwendigkeit: Was bleibt vom Brockhaus?
Für viele ältere Generationen war der Brockhaus mehr als ein Nachschlagewerk – er war Teil des intellektuellen Haushalts, ein Geschenk zur Konfirmation, eine Investition in die Kinder.
Die 24-bändige Ausgabe im Wohnzimmerregal galt als Statussymbol.
Mit seinem Ende endet auch ein Kapitel der deutschen Bildungsgeschichte, das eng mit Papier, Buchrücken und der Vorstellung verbunden war, dass Wissen dauerhaft, abgeschlossen und objektiv sei.
Das Internet hat dieses Weltbild aufgelöst.
Heute ist Wissen flüchtig, verhandelbar, verlinkt – und meist kostenlos.
Doch genau in dieser Flüchtigkeit liegt auch der Verlust: Die redaktionelle Verlässlichkeit, die Genauigkeit, die stille Autorität eines Brockhaus-Artikels – sie fehlt oft im digitalen Durcheinander.
Ein Kapitel schließt sich – aber die Idee lebt digital weiter – Ende des Brockhaus-Lexikons
Die Entscheidung von Bertelsmann im Jahr 2013 war folgerichtig, wirtschaftlich unvermeidbar – und dennoch ein kultureller Einschnitt. Der Brockhaus, einst Maßstab für Seriosität und Bildung, hat sich vom Druckwerk zum digitalen Bildungswerkzeug gewandelt.
Vielleicht ist das kein Untergang, sondern eine Transformation – von der Enzyklopädie als Möbelstück zur Enzyklopädie als Lernplattform.
Was bleibt, ist die Erinnerung an eine Zeit, in der Wissen noch in Bänden wog – und in Regalen ruhte.
Ende des Brockhaus-Lexikons – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.
Ende des Brockhaus-Lexikons Foto: PeterPike / adobe.com