EU-Haushaltsentwurf: Berlin lehnt Brüssels Billionen-Etat ab
Brüssels Billionen-Etat – Zwei Billionen Euro für die kommenden sechs Jahre – mit einem solchen Rekordbudget hat die EU-Kommission große Pläne für Europa.
Die Bundesregierung zeigt dafür jedoch wenig Verständnis.
Berlin lehnt den deutlich aufgestockten Etatentwurf ab, während auch Wirtschafts- und Umweltverbände scharfe Kritik üben.
EU-Kommission plant Zwei-Billionen-Etat für 2028–2034
Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU präsentiert.
Demnach sollen in den Jahren 2028 bis 2034 insgesamt rund zwei Billionen Euro ausgeben werden dürfen – etwa 700 Milliarden Euro mehr als in der laufenden siebenjährigen Periode.
Mit dem zusätzlichen Geld will die Kommission neue Prioritäten finanzieren, etwa verstärkte Investitionen in Verteidigung, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „Haushalt für eine neue Ära“, der Europas Ambitionen gerecht werde, Herausforderungen proaktiv angehe und die Unabhängigkeit der EU stärke.
In dem langfristigen Haushaltsplan werden Obergrenzen für die jährlichen EU-Ausgaben festgelegt und festgeschrieben, wofür die Mittel verwendet werden dürfen.
Bevor der Plan in Kraft treten kann, müssen jedoch alle 27 Mitgliedstaaten im EU-Rat einstimmig zustimmen, und das Europäische Parlament muss mit absoluter Mehrheit grünes Licht geben.
Beobachter rechnen daher mit langwierigen Verhandlungen über den Entwurf, die sich über Jahre hinziehen könnten. Verteilungskämpfe gelten als vorprogrammiert – sowohl darüber, welche Bereiche wie viel Geld erhalten, als auch darüber, wer die Mehrausgaben finanzieren soll.
Berlin: „Aufwuchs des EU-Haushalts nicht vermittelbar“ Brüssels Billionen-Etat
Als größter Nettozahler der EU steht Deutschland dem Vorstoß aus Brüssel besonders skeptisch gegenüber. Die Bundesregierung kündigte an, den Haushaltsvorschlag der Kommission in der aktuellen Form nicht akzeptieren zu können.
„Ein umfassender Aufwuchs des EU-Haushalts ist nicht vermittelbar in Zeiten, in denen alle Mitgliedstaaten erhebliche Anstrengungen zur Konsolidierung der nationalen Haushalte unternehmen“, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius.
Deutschland trägt als wirtschaftsstärkstes EU-Land in der Regel knapp ein Viertel der Finanzierung des EU-Haushalts – entsprechend hoch wäre die zusätzliche Belastung für den Bundeshaushalt bei einem deutlichen Ausgabenanstieg.
Positiv hebt Berlin zwar den grundsätzlichen Reformansatz der Kommission hervor – insbesondere die Ausrichtung des EU-Etats auf neue Prioritäten wie Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft.

Auch das Ziel, die Vielzahl der Förderprogramme zu straffen und Mittel flexibler einsetzen zu können, stößt auf Verständnis.
In der aktuellen Größenordnung und Finanzierungssystematik sieht die Bundesregierung den Entwurf jedoch als nicht zustimmungsfähig an. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) betonte am Rande eines G20-Treffens in Südafrika, man müsse „bei den Finanzen absolut im Verhältnis bleiben“, was hier nicht gewahrt sei.
Deutschland wolle die heimische Wirtschaft stärken, Arbeitsplätze sichern und Investitionen ins Land holen. „Und da ist diese Unternehmensbesteuerung, die jetzt von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wird, in dieser Form das falsche Signal“, kritisierte Klingbeil mit Blick auf die neuen EU-Finanzierungspläne.
Streit um neue Abgaben für Unternehmen – Brüssels Billionen-Etat
Tatsächlich schlägt die Kommission als eine von mehreren neuen Einnahmequellen für den EU-Haushalt eine Abgabe für große Unternehmen vor.
Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro sollen demnach gestaffelte Beiträge an Brüssel entrichten – etwa 100.000 Euro bei 100 Mio. € Umsatz, 750.000 Euro bei mehr als 750 Mio. € Umsatz pro Jahr.
Zusätzlich will die EU-Kommission 15 Prozent der nationalen Tabaksteuereinnahmen für den EU-Haushalt abzweigen und eine Abgabe auf nicht recycelten Elektroschrott einführen.
All diese neuen Eigenmittel zusammen sollen laut Kommission jährlich etwa 58,5 Milliarden Euro in die EU-Kasse spülen und so die Beiträge der Mitgliedsländer entlasten.
Auf breite Ablehnung stößt jedoch insbesondere die geplante Unternehmensabgabe. Nicht nur die Bundesregierung, auch Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen eine zusätzliche Belastung der Firmen.
Der Autoindustrieverband VDA warnte, die Unternehmen befänden sich in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage. „Jegliche Steuererhöhung oder die Einführung zusätzlicher Abgaben verbieten sich daher – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene“, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Eine unabhängig vom Gewinn erhobene Abgabe müsse als besonders wachstumsschädlich eingestuft werden, da sie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen schwäche.
Ähnlich äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK): Eine solche Maßnahme wäre „das völlig falsche Signal“, so DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. Es brauche Rückenwind für die Wirtschaft und keine zusätzlichen Lasten.
Umweltverbände fordern mehr Klimaschutz im Haushalt – Brüssels Billionen-Etat
Auch Umwelt- und Naturschutzorganisationen kritisieren den EU-Haushaltsentwurf – allerdings aus einer anderen Perspektive. Aus Sicht des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR) bleibt der Vorschlag hinter den Erfordernissen eines zukunftsfähigen Europas zurück.
Es seien zu geringe Mittel für Klima- und Biodiversitätsschutz vorgesehen, zudem fehlten klare zweckgebundene Naturschutzbudgets. Dies gefährde die strategische Ausrichtung Europas auf Klimaneutralität, Resilienz und Nachhaltigkeit, so der DNR.
„Wer Europas Zukunft sichern will, muss Klima- und Naturschutz als Standortfaktor ernst nehmen und im Haushalt priorisieren“, betonte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.
Die EU-Kommission habe zwar angekündigt, 35 % des Budgets für Klima-, Umwelt- und Naturschutz einzuplanen, doch zweifeln Verbände, ob dieser Anteil ausreicht. Der DNR fordert mindestens 50 % für Umwelt- und Klimaziele sowie verbindliche Gelder für Naturerhalt.
Noch deutlicher fiel die Reaktion einzelner Verbände aus:
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezeichnete von der Leyens Entwurf als „Nullnummer für den Naturschutz“. Handfeste Zusagen zur Finanzierung etwa des EU-Renaturierungsgesetzes zur Wiederherstellung der Natur fehlten bislang, warnte BUND-Vorsitzender Olaf Bandt.
Auch die Umweltschutzorganisation WWF übte scharfe Kritik.
Mit den geplanten Kürzungen bei Klima- und Naturschutz würden die Menschen in Europa schlecht auf die sich verschärfenden Krisen beim Klima und der Artenvielfalt vorbereitet – „und das in einem weiteren Sommer mit Hitzewellen, Waldbränden und Überschwemmungen“, so der WWF.
Interessanterweise begrüßen Umweltverbände ausdrücklich einige der neuen Finanzierungsideen der Kommission, die von Wirtschaftsseite abgelehnt werden. So lobt der DNR die vorgeschlagenen Eigenmittel-Initiativen – etwa Unternehmens- oder Umweltabgaben – als wichtigen Schritt hin zu einem unabhängigen und krisenfesten EU-Haushalt.
Auch die Möglichkeit, in Krisensituationen gemeinschaftliche Schulden aufzunehmen, sei eine Lehre aus den vergangenen Jahren, die berücksichtigt werden müsse.
Die Umweltverbände fordern die Bundesregierung auf, diese Vorschläge im EU-Rat aktiv zu unterstützen, um genügend Mittel für Klima- und Naturschutz zu sichern.
Lange Verhandlungen in EU-Rat und Parlament erwartet – Brüssels Billionen-Etat
Bevor der neue Finanzrahmen in Kraft tritt, steht der EU ein komplizierter Verhandlungsmarathon bevor.
Über den Entwurf für den nächsten siebenjährigen EU-Haushalt wurde bereits heftig gestritten, noch bevor die Kommission ihn offiziell vorgestellt hatte. In den anstehenden Beratungen der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments werden langwierige und schwierige Verhandlungen erwartet.
Jeder EU-Staat hat im Rat faktisch ein Vetorecht, da Einstimmigkeit erforderlich ist, und verschiedene Lager prallen aufeinander. Nettozahler wie Deutschland wollen den Ausgabenanstieg begrenzen, während Empfängerländer auf Fortbestand großzügiger Förderungen pochen.
Vertreter konservativer und sozialdemokratischer Parteien im Europaparlament signalisierten bereits, dass bewährte Fördertöpfe – etwa für Landwirtschaft und Regionalentwicklung – zumindest inflationsbereinigt erhalten bleiben müssten.
Einige kritisierten, von der Leyens Umbauvorschläge könnten eine „Renationalisierung“ wichtiger EU-Programme bedeuten, zulasten der gemeinsamen europäischen Ziele.
Zudem sind Grundsatzfragen der Finanzpolitik umstritten. Neue gemeinsame EU-Schulden zur Finanzierung weiterer Ausgaben, etwa im Verteidigungsbereich, erwähnt der Kommissionsentwurf nicht ausdrücklich. Doch die Debatte darüber dürfte bald aufflammen:
Während Bundeskanzler Friedrich Merz strikt auf Bremse steht, plädiert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für ein stärker gemeinschaftlich finanziertes Vorgehen – anders seien die epochalen Aufgaben der EU nicht zu bewältigen, argumentiert er.
Auch bei anderen Punkten zeichnen sich Konfliktlinien ab.
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán etwa wetterte, die massive Unterstützung für die Ukraine in dem „schockierenden“ Budgetentwurf gehe auf Kosten der europäischen Landwirte.
Brüssels Billionen-Etat – Insgesamt steht der Union eine schwierige Einigung bevor. Bis alle 27 Hauptstädte und das Parlament mitziehen, dürfte es intensiver diplomatischer Anstrengungen bedürfen. Beobachter gehen davon aus, dass die Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen 2028–2034 mindestens das nächste Jahr – wenn nicht länger – in Anspruch nehmen werden.
Letztlich muss ein Kompromiss gefunden werden, der sowohl den Forderungen nach Haushaltsdisziplin als auch den Anforderungen an die Zukunftsinvestitionen der EU gerecht wird.
Die Debatten um Brüssels Billionen-Etat haben jedenfalls schon begonnen.
Brüssels Billionen-Etat – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.