Kirchen dürfen Bewerbungen an Konfession knüpfen – Karlsruher Urteil stärkt das Selbstbestimmungsrecht kirchlicher Arbeitgeber
Bewerbungen an Konfession knüpfen – In einem wegweisenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber in bestimmten Fällen Bewerbungen von einer Mitgliedschaft in ihrer Religionsgemeinschaft abhängig machen dürfen. Damit stellt sich Deutschlands höchstes Gericht gegen frühere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts und stärkt das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.
Ein Urteil mit Signalwirkung – Bewerbungen an Konfession knüpfen
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss das Verhältnis von kirchlichem Selbstverständnis und allgemeinem Diskriminierungsschutz neu austariert – und dabei deutlich Position für die kirchliche Autonomie bezogen. In der Entscheidung (Az.: 2 BvR 934/19) wird festgehalten, dass die Kirchen das Recht besitzen, bei bestimmten Stellenbesetzungen die Mitgliedschaft in ihrer Glaubensgemeinschaft zur Voraussetzung zu machen – vorausgesetzt, diese Anforderung ist aus Sicht der Kirche für die betreffende Tätigkeit wesentlich und gerechtfertigt.
Das Urteil betrifft nicht nur das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, sondern auch zwischen Religionsfreiheit und Gleichbehandlung im Arbeitsleben – und dürfte weit über den konkreten Einzelfall hinaus Wirkung entfalten.
Der lange Weg durch die Instanzen – Bewerbungen an Konfession knüpfen
Dem Urteil liegt ein jahrelanger Rechtsstreit zugrunde, der bereits 2012 begann. Eine konfessionslose Sozialpädagogin hatte sich auf eine befristete Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Die Stelle war im Kontext der Mitarbeit an einem Parallelbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention in Deutschland angesiedelt – ein Projekt, das in Kooperation mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen realisiert werden sollte.
Die Bewerberin wurde trotz fachlicher Eignung nicht eingestellt, weil sie nicht Mitglied einer christlichen Kirche war. Die Diakonie begründete die Entscheidung mit ihrer christlich geprägten Identität und den spezifischen Anforderungen an die Ausübung kirchlicher Tätigkeit. Die Bewerberin hingegen sah sich aufgrund ihrer Weltanschauung diskriminiert und klagte auf Entschädigung.
EuGH und Bundesarbeitsgericht urteilten anders
In den Jahren nach der Ablehnung entwickelte sich der Fall zu einem juristischen Präzedenzstreit, der immer größere Kreise zog. 2018 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Kirchen sich nicht pauschal auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen könnten, wenn sie Bewerber wegen ihrer fehlenden Konfession ablehnen.

Stattdessen müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Religionszugehörigkeit für die ausgeschriebene Stelle tatsächlich eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstelle – so die Maßgabe des EU-Rechtsrahmens, insbesondere der Antidiskriminierungsrichtlinie.
In der Folge sprach das Bundesarbeitsgericht der Klägerin eine Entschädigung zu. Die Diakonie wiederum wehrte sich gegen diese Entscheidung und legte Verfassungsbeschwerde ein – mit Erfolg, wie sich nun zeigt.
Karlsruhe betont die Eigenständigkeit kirchlicher Ordnungen – Bewerbungen an Konfession knüpfen
Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts sahen in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine Verletzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung. Diese Verfassungsnormen garantieren den Religionsgemeinschaften das Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbst zu ordnen und zu verwalten.
Kirchliche Arbeitgeber seien nicht bloß private Akteure, sondern Träger einer verfassungsrechtlich geschützten Sonderstellung. Diese umfasse auch die Möglichkeit, eigene Loyalitätsanforderungen an Mitarbeiter zu stellen, wenn dies zur Wahrung der kirchlichen Identität erforderlich sei. Dabei komme den Kirchen ein Beurteilungsspielraum zu, der zu respektieren sei, solange er nicht offensichtlich missbraucht werde.
Keine automatische Diskriminierung durch konfessionelle Anforderungen
Entscheidend ist laut Gericht, dass konfessionelle Anforderungen nicht grundsätzlich als diskriminierend gewertet werden dürfen. Vielmehr müsse geprüft werden, ob die Kirche in nachvollziehbarer Weise darlegen könne, warum für eine bestimmte Tätigkeit eine Kirchenmitgliedschaft als notwendig erachtet werde.
Im konkreten Fall der Sozialpädagogin stellte das Gericht fest, dass das Projekt, für das die Stelle ausgeschrieben war, im institutionellen Rahmen der evangelischen Kirche durchgeführt wurde und ein klares christliches Profil besaß. Daher sei die Anforderung einer Kirchenmitgliedschaft kein bloßes Vorwand gewesen, sondern Ausdruck der inneren Ordnung und Selbstdefinition der Diakonie als kirchlicher Trägerin.
Grenzen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bleiben bestehen – Bewerbungen an Konfession knüpfen
Gleichwohl betonten die Verfassungsrichter, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht schrankenlos sei. Auch kirchliche Arbeitgeber unterlägen dem staatlichen Arbeitsrecht – etwa in Bezug auf Mitbestimmung, Kündigungsschutz oder das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Grenze sei dort erreicht, wo kirchliche Anforderungen zur Verdeckung sachfremder Motive dienten oder systematisch ganze Gruppen vom Arbeitsmarkt ausschlössen.
Die Entscheidung sei daher nicht als Blankoscheck für die Kirchen zu verstehen, sondern als Balanceakt zwischen zwei grundrechtlich geschützten Positionen: der Glaubens- und Religionsfreiheit auf der einen Seite und dem Diskriminierungsschutz sowie der Berufsfreiheit auf der anderen.
Reaktionen: Zustimmung bei Kirchen, Kritik von Juristen und Gewerkschaften
Die Reaktionen auf das Urteil fallen unterschiedlich aus. Die evangelische Kirche und die Diakonie begrüßten die Entscheidung ausdrücklich. Sie sehen darin eine Bestätigung ihres Verständnisses, dass kirchliche Einrichtungen keine neutralen Organisationen seien, sondern durch ihre Glaubensinhalte geprägt und daher berechtigt, auch von ihren Mitarbeitenden eine gewisse weltanschauliche Verbundenheit zu erwarten.
Die Diakonie verweist darauf, dass sich viele ihrer Angebote – etwa in der Flüchtlingshilfe, der Altenpflege oder der Beratung – aus dem christlichen Gebot der Nächstenliebe speisten und diese Motivation in der täglichen Arbeit spürbar sein müsse. Daher sei es legitim, die Zugehörigkeit zur Kirche als Kriterium in Auswahlverfahren einzubeziehen – jedenfalls bei Stellen mit repräsentativem oder konzeptionellem Charakter.
Kritik kam hingegen von Juristen, Antidiskriminierungsstellen und Gewerkschaften. Sie befürchten, dass das Urteil zu einem Rückschritt im Bereich des Gleichbehandlungsrechts führen könnte. Insbesondere säkular eingestellte Bewerberinnen und Bewerber würden bei konfessionellen Arbeitgebern strukturell benachteiligt – selbst dann, wenn ihre Qualifikation unbestritten sei.
Auch wird die Vereinbarkeit mit europäischem Recht in Zweifel gezogen. Denn der EuGH hatte in seinem Urteil ausdrücklich eine eng gefasste Ausnahme zugelassen und auf die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen gepocht. Kritiker befürchten nun eine Kollision zwischen deutschem Verfassungsrecht und dem europäisch kodifizierten Diskriminierungsschutz.
Kirchen bleiben bedeutende Akteure auf dem Arbeitsmarkt
Das Urteil ist nicht zuletzt deshalb von großer praktischer Relevanz, weil die Kirchen zu den größten Arbeitgebern Deutschlands zählen. Allein die evangelische Kirche beschäftigt rund 240.000 Menschen direkt, die Diakonie weitere 687.000. Die katholische Kirche gibt an, rund 180.000 Mitarbeitende in der verfassten Kirche sowie etwa 740.000 in der Caritas zu beschäftigen.
Zusammen mit ihren Wohlfahrtsverbänden verfügen die Kirchen somit über eine enorme Beschäftigungsmacht – insbesondere in sozialen Berufen wie Pflege, Erziehung, Beratung oder Gesundheitswesen. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen kirchliche Träger daher zentrale Arbeitgeber dar, die mitunter flächendeckend agieren.
Bedeutung für Bewerber und Gesellschaft – Bewerbungen an Konfession knüpfen
Das Urteil bedeutet für Bewerberinnen und Bewerber, dass sie künftig sorgfältiger prüfen müssen, ob ihre weltanschauliche Haltung mit den Vorgaben kirchlicher Einrichtungen vereinbar ist – auch dann, wenn sie sich auf scheinbar administrative oder fachlich-technische Positionen bewerben. Für säkulare Fachkräfte kann dies eine Hürde darstellen – zumal viele kirchliche Einrichtungen in Regionen tätig sind, in denen es kaum Alternativen gibt.
Gleichzeitig stellt sich die gesellschaftliche Frage, wie mit der zunehmenden Pluralisierung der Lebensentwürfe umzugehen ist. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören, könnte das Festhalten an konfessionellen Auswahlkriterien zu Spannungen führen – sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im öffentlichen Diskurs.
Ein Meilenstein mit Konfliktpotenzial – Bewerbungen an Konfession knüpfen
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Meilenstein im Verhältnis von Staat, Kirche und Gesellschaft. Es stärkt das Selbstverständnis der Kirchen, ihre Identität auch im Arbeitsrecht durchzusetzen – auch gegen europäische Normen. Zugleich wird es die Debatte über die Rolle von Religion in einem säkularen Gemeinwesen neu entfachen.
Wie weit die Reichweite des Urteils in der Praxis geht, dürfte sich erst in den kommenden Jahren zeigen – etwa durch neue Klagen oder eine mögliche Auseinandersetzung mit dem Europäischen Gerichtshof. Der rechtliche und gesellschaftliche Diskurs ist damit noch lange nicht beendet. Das letzte Wort in dieser Sache ist vermutlich noch nicht gesprochen.
Bewerbungen an Konfession knüpfen – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.
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