Dieses Mal kommt das Unwort des Jahres aus dem Englischen
Im Januar war es wieder so weit. Die Jury des „Unwort des Jahres“ gab das Ergebnis aus dem letzten Jahr bekannt.
Dieses Mal entschied sie sich – zum zweiten Mal nach „Peanuts“ 1994 – für einen englischen Begriff, der sich immer mehr im Sprachverhalten eingebürgert hat.
Platz eins belegt nun das Wort „Pushback“.
Das Online-Wörterbuch dict.cc verweist darauf, dass der Begriff aus dem Amerikanischen kommt, Widerstand gegen eine Initiative oder Initiative bedeutet und mit etwas Negativem oder Nachteiligem verbunden wird.
Das ist eine treffende Ergänzung zu der Übersetzung mit „zurückdrängen oder -schieben“ – als Kurzform oft gewählt.
Die Juroren wollen mit dem Begriff Aktionen von europäischen Grenztruppen kritisieren, die Flüchtlinge am Überschreiten von Grenzen hindern, insbesondere zwischen Belarus und der EU.
Das Wort sei eine Beschönigung von menschenfeindlichen Prozessen, der flüchtenden Menschen die Möglichkeit nähme, das Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen.
Jury will Diffamierung anprangern
Die Jury besteht aus vier Sprachwissenschaftlern und einer Journalistin. Sprecherin ist die Professorin Constanze Spieß vom Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Marburg.
Ziel ist es, mit dem Unwort des Jahres auf einen Sprachgebrauch aufmerksam zu machen, der diffamiert oder schlicht unangemessen ist. Ebenso kommen Begriffe, die die Demokratie oder Menschenwürde in Frage stellen, in die engere Auswahl.
Die Einrichtung „Unwort des Jahres“ legt Wert darauf, mit ihren Wahlen nicht als Sprachschützer zu dienen. Vielmehr möchte sie berechtigte Kritik an sprachlichen Erscheinungen nicht dem Elfenbeinturm Uni allein überlassen. Gesellschaftliche Mitwirkung garantiert sie, indem sie jährlich einen wechselnden Vertreter aus der Kultur- und Medienlandschaft zur Beurteilung hinzubittet.
Bürgerbeteiligung ist gefragt
Jeder Bürger kann sich an der Wahl des Unwortes beteiligen. Für das letzte Jahr gab es 1300 Vorschläge mit 454 verschiedenen Wörtern. Den Kriterien entsprachen jedoch nur 45. Die Jury trifft nach reiflicher Diskussion eine Auswahl, die jeweilige Anzahl der genannten Vorschläge spielt dabei keine Rolle.
Das Unwort des Jahres wurde 1991 mit dem Wort „ausländerfrei“ aus der Taufe gehoben. Es bezog sich auf sprachliche Äußerungen im Zusammenhang mit Übergriffen auf Flüchtlinge und ausländische Arbeitnehmer in Hoyerswerda.
Häufig genannte Wörter für das letzte Jahr waren „Tyrannei der Ungeimpften“ und „Covidiot“.
Schon seit dem Jahr 1991 wird von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) das Unwort des Jahres gekürt. Vorschläge können nicht nur aus den eigenen Reihen stammen. Neben Sprachwissenschaftlern haben auch die Bürger die Möglichkeit Vorschläge einzureichen. Damit das gesamte Jahr Berücksichtigung findet, wird das Unwort des Jahres erst zu Beginn des nächsten Jahres bekannt gegeben. Zu den neuesten Wortkreationen, die zu Unworten wie Überfremdung, Kollateralschaden oder Gutmensch hinzustößt, gehört das Wort „Pushback“.
Diese Wahl erscheint nicht nur aufgrund des englischen Ursprungs des Wortes zunächst als ungewöhnlich. Das Unwort entspringt zudem nicht der Covid-19 Krise, was einige Beobachter dieser Auszeichnung ebenfalls überraschen könnte. Gemeint ist damit das Zurückdrängen (Pushback) von Migranten auf der Flucht. Bekannte Beispiele zeigten sich erst kürzlich wieder von Flüchtlingen, die sich über Weißrussland auf den Weg nach Europa machten.
Die Wahl dient auch dazu zum Nachdenken anzuregen
Für gewöhnlich wird ein gewähltes Unwort zuvor oft über Wochen und Monate von den Medien aufgegriffen. Das Wort Pushback hat einen stilleren Weg genommen. Wird einmal die Bedeutung klar, haben die meisten Menschen sofort Bilder von Flüchtlingen, die vor europäischen Grenzzäunen stehen, vor Augen.
Diese emotionale Auseinandersetzung mit Begriffen wünschen sich die Menschen, die an der Wahl zum Unwort des Jahres 2021 beteiligt sind. Die Jury der GfdS begründet die Wahl unter anderem darin, dass Pushback ein Begriff sei, der „einen menschenfeindlichen Prozess beschönigt, der den Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nimmt, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen.“ Die Wahl dient damit ebenfalls dazu, eine öffentliche Debatte anzuregen.
Der Umgang mit Flüchtlingen ist durch Covid-19 in den Hintergrund gerückt
In den Medien gab es in den vergangenen Jahren nur sehr selten ein Thema, welches ähnlich häufig aufgegriffen wurde als Covid-19. Zwischen dem Vergleich von Ansteckungszahlen von Woche zu Woche bis zur Diskussion um eine mögliche Impfpflicht sind die Flüchtlinge, die vor den Toren oder innerhalb Europas auf Asyl warten, in Vergessenheit geraten. Nur gelegentlich wird von neuen Flüchtlingsströmen geredet, die aus Angst in ihr Heimatland zurückzukehren, in der derzeit ungewissen Situation verharren.
Selbst Jahre nach der eigentlichen Flüchtlingskrise, sind feste Verteilungsmechanismen der Menschen und humane Strategien der Lage Herr zu werden noch immer nicht in Kraft.
Das Unwort des Jahres könnte dazu beitragen, erneut Redebedarf und auch Druck auf die einzelnen Staaten sowie die EU aufzubauen.
Wir schreiben für Sie. BerlinMorgen.