1991: Der Mord an Detlev Rohwedder – ein Attentat mit Nachhall
Ein tödlicher Schuss auf den Architekten der Transformation
Mord an Detlev Rohwedder – Als Präsident der Treuhand war er eine Symbolfigur des wirtschaftlichen Umbruchs – sein Tod erschütterte das wiedervereinigte Deutschland
Am 1. April 1991 wird Detlev Rohwedder, Präsident der Treuhandanstalt, in seinem Haus in Düsseldorf von einem Scharfschützen ermordet.
Drei Kugeln durchschlagen das Fenster seines Arbeitszimmers, während er am Schreibtisch sitzt. Eine trifft ihn tödlich.
Der Schütze feuert aus einer Entfernung von 63 Metern – durch ein geschlossenes Fenster.
Seine Ehefrau überlebt den Anschlag verletzt.
Nur kurze Zeit später taucht ein Bekennerschreiben der Roten Armee Fraktion (RAF) auf.
Die Tat gilt bis heute als einer der spektakulärsten politischen Morde in der Geschichte der Bundesrepublik – und als Wendepunkt im ohnehin schwierigen Prozess der deutschen Einheit.
Rohwedder und die Treuhand – Hoffnungsträger und Hassfigur zugleich
Detlev Rohwedder war seit 1990 Präsident der Treuhandanstalt, einer Institution, die nach dem Zusammenbruch der DDR den Auftrag hatte, Volkseigene Betriebe (VEB) in marktwirtschaftlich organisierte Unternehmen zu überführen – und sie möglichst rasch zu privatisieren.
Die Herausforderung war beispiellos: Mehr als 8.000 Unternehmen mit über vier Millionen Beschäftigten sollten auf einen Schlag umgebaut, verkauft oder abgewickelt werden.
Für viele Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland bedeutete dieser Übergang Massenarbeitslosigkeit, wirtschaftlichen Abstieg und den Verlust sozialer Sicherheit. Rohwedder, ein ruhiger und rationaler Manager, wurde zunehmend zur Projektionsfläche für Frust, Angst und Wut.
Trotz massiver Anfeindungen bemühte sich Rohwedder um einen vermittelnden Ton, wollte die Transformation behutsam und sozialverträglich gestalten.
Er galt als pragmatisch, aber empathisch – ein Politiker im Spannungsfeld zwischen historischen Erwartungen und ökonomischen Realitäten.
Die RAF schlägt zu – und hinterlässt ein Land unter Schock
Der Mord an Rohwedder traf das wiedervereinigte Deutschland ins Mark.
Die Tat zeigte, dass auch nach dem Fall der Mauer linksextremer Terrorismus noch nicht besiegt war.

Die RAF, eine bereits geschwächte Organisation mit ideologischen Wurzeln im Antiimperialismus der 1970er-Jahre, reklamierte das Attentat für sich – als „Schlag gegen den Ausverkauf der DDR“.
Die Ermittlungen liefen jahrelang – ohne eindeutigen Erfolg.
Zwar fanden sich am Tatort DNA-Spuren des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams, doch eine vollständige Aufklärung blieb aus.
Noch heute gilt der Mordfall als ungeklärt, trotz vieler Indizien und intensiver Recherchen.
Eine tiefe Wunde im Vereinigungsprozess
Der Tod Rohwedders wurde zum Symbol für die Brutalität des Umbruchs. Die Arbeit der Treuhand – ohnehin hoch umstritten – geriet nun erst recht unter Druck. Seine Nachfolgerin, Birgit Breuel, führte die Privatisierungen konsequenter und schneller fort. Auch sie sah sich heftiger Kritik ausgesetzt, gestand später jedoch ein: „Wir haben den Menschen in Ostdeutschland sehr viel zugemutet.“
Für viele Ostdeutsche steht die Treuhand bis heute für das Gefühl, enteignet worden zu sein – wirtschaftlich, kulturell und biografisch. Rohwedder, der eigentlich als jemand galt, der vermitteln wollte, wurde posthum zur tragischen Figur der Einheit.
Erinnerung an einen unbequemen Vermittler – Mord an Detlev Rohwedder
Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Attentat bleibt Detlev Rohwedder eine Mahnfigur für die Risiken gesellschaftlicher Spaltung.
Seine Ermordung markiert einen Wendepunkt: nicht nur für die Geschichte der RAF, sondern auch für die emotionale Wahrnehmung der Wiedervereinigung.
Im Jahr 2020 widmete sich die Netflix-Dokumentation „Rohwedder – Einigkeit und Mord und Freiheit“ dem ungelösten Fall und löste erneut Debatten über die Rolle der Treuhand und die gesellschaftliche Aufarbeitung der Nachwendezeit aus.
Ein Mord, der weit über das Persönliche hinausging – Mord an Detlev Rohwedder
Der Tod Detlev Rohwedders war weit mehr als ein individuelles Verbrechen – er war ein Angriff auf den mühsam begonnenen Prozess der inneren Einheit.
Bis heute wirft das Attentat Schatten auf die deutsche Geschichte der Nachwendezeit und erinnert daran, wie zerbrechlich gesellschaftlicher Zusammenhalt sein kann, wenn wirtschaftliche Härte auf ungelöste Identitätsfragen trifft.
Mord an Detlev Rohwedder – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.