15 Jahre Karfreitagsgefecht: Erinnern, Gedenken – und viele offene Fragen
Ein Rückblick auf den schwersten Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan und seine bis heute anhaltenden Folgen
Der 2. April 2010: Der Tag, an dem alles anders wurde
Es ist Karfreitag, der 2. April 2010, als eine Einheit der Bundeswehr das geschützte Feldlager in Kundus verlässt.
Der Auftrag ist gefährlich – und letztlich verhängnisvoll:
Die 1. Infanteriekompanie der Fallschirmjäger aus Seedorf soll eine Straße nach Isa Khel, einem Dorf in einer der gefährlichsten Regionen Nordafghanistans, von Minen räumen.
Ein Einsatz, der wie viele andere zuvor wirkt – doch an diesem Tag sollte er in die Geschichte eingehen.
Was zunächst als routinierter Einsatz beginnt, entwickelt sich binnen Stunden zu einem der heftigsten Gefechte, das die Bundeswehr je erlebt hat.
Eine Überwachungsdrohne, die zur Aufklärung beitragen soll, stürzt ab.
Vier Soldaten begeben sich – ohne ausreichend Deckung – zur Bergung der Drohne.
In diesem Moment geraten sie in einen koordinierten Hinterhalt.
Es folgen Stunden des Feuergefechts, bei dem drei deutsche Soldaten sterben und acht weitere zum Teil schwer verletzt werden.
Das Trauma bleibt – in Körpern und Köpfen – 15 Jahre Karfreitagsgefecht
Für viele Bundeswehrangehörige ist der Karfreitag seitdem kein gewöhnlicher Feiertag mehr.
Er ist ein Tag des Innehaltens, des Schweigens, des Gedenkens. Hinterbliebene, Veteranen, Verwundete und Kameradinnen und Kameraden erinnern sich jährlich an diesen Tag.
Die „15K3-Märsche“, benannt nach dem Jahr (15 Jahre), dem Karfreitag (K) und dem Dreifachverlust (3), werden immer populärer.
Sie sind stille, aber kraftvolle Zeichen des Gedenkens.
Und doch: Die Erinnerung ist keine ferne. Viele, die damals beteiligt waren, kämpfen bis heute mit den psychischen und physischen Folgen.
Posttraumatische Belastungsstörungen, Schuldgefühle, soziale Isolation – das Karfreitagsgefecht hinterließ Narben, die man nicht immer sieht.
Die politische Aufarbeitung: Anspruch und Realität – 15 Jahre Karfreitagsgefecht
Bereits kurz nach dem Gefecht war klar: Dieses Ereignis würde nicht folgenlos bleiben.

Die damalige Bundesregierung kündigte an, Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz zu ziehen.
Doch viele Soldatinnen und Soldaten berichten, dass die versprochenen Konsequenzen nicht konsequent umgesetzt worden seien.
Es gebe zwar mittlerweile mehr psychologische Betreuung, bessere Ausrüstung und eine offenere Debattenkultur über Auslandseinsätze – doch viele fühlen sich allein gelassen. Auch Veteranenorganisationen fordern mehr Anerkennung und politische Verantwortung.
Es sei wichtig, dass das Karfreitagsgefecht nicht einfach in Schreibtischschubladen verschwinde, heißt es von Beteiligten.
Ein Wendepunkt im Selbstverständnis der Bundeswehr
Das Karfreitagsgefecht markierte auch einen mentalen Wendepunkt für die Bundeswehr – und für die deutsche Öffentlichkeit.
Es war der Moment, in dem vielen Menschen bewusst wurde:
Die Bundeswehr führt nicht nur humanitäre Missionen, sondern ist tatsächlich im Kampfeinsatz.
Erst Jahre später, unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, wurde das Wort „Krieg“ offiziell in Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz benutzt.
Für viele Soldaten war dies längst Realität – und das Gefecht am Karfreitag hatte es unübersehbar gemacht.
Viele Fragen bleiben – und neue kommen hinzu – 15 Jahre Karfreitagsgefecht
Auch 15 Jahre später bleiben offene Fragen:
- Warum war die Drohne nicht besser gesichert?
- Wurde die Gefahrenlage unterschätzt?
- Waren die Soldaten ausreichend vorbereitet und ausgerüstet?
- Und: Hat die Politik genug getan, um die Geschehnisse angemessen aufzuarbeiten?
Gleichzeitig kommen neue Fragen hinzu, etwa im Zusammenhang mit dem überstürzten Abzug aus Afghanistan 2021, der erneut das Engagement Deutschlands in dem Land kritisch hinterfragte.
Erinnerung braucht Raum – auch in der Gesellschaft –
15 Jahre Karfreitagsgefecht
Was viele Soldaten sich wünschen, ist mehr als politische Floskeln.
Sie wollen, dass das Karfreitagsgefecht Teil der kollektiven Erinnerung wird. Dass Gedenken nicht nur in militärischen Kreisen, sondern auch in der Zivilgesellschaft stattfindet.
Und dass die Frage nach Verantwortung nicht ausweicht, sondern offen diskutiert wird.
Denn der 2. April 2010 war mehr als ein Gefecht.
Er war ein Symbol für das, was es bedeutet, wenn Politik, Einsatzrealität und menschliches Leid aufeinanderprallen – und für die Herausforderungen, die noch lange nach dem letzten Schuss bestehen bleiben.
15 Jahre Karfreitagsgefecht – Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.