Das Wort Familie soll zukünftig mehr Flexibilität beinhalten
Besteht die Familie schon bald aus vier Elternteilen? – Wie eine Familie in unserer modernen Gesellschaft aussieht, wird immer vielfältiger interpretiert.
Besteht eine Familie nicht mehr länger aus Vater, Mutter und Kindern, ruft dieses Bild längst nicht mehr das Gefühl hervor, eine ungewöhnliche Beobachtung gemacht zu haben.
Dennoch ergeben sich mit jeder neuen Form der Partnerschaft und Familie auch weitere rechtliche Aspekte.
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann (Bündnis90/Die Grünen) möchte die rechtliche Situation eindeutiger gestalten.
Leben minderjährige Kinder in einem Haushalt mit zwei Müttern oder Väter hat oft nur einer der Partner das Sorgerecht inne.
Die gleichen Probleme sieht Lehmann auch in Patchworkfamilien. Stiefmütter und Väter könnten selbst in Notfällen keine Entscheidungen für Kinder, die sich in ihrer Obhut befinden, treffen.
Ein Lösungsansatz wäre laut dem Grünenpolitiker die Erteilung des sogenannten kleinen Sorgerechts.
Sven Lehmann wünscht sich eine rechtliche Neuordnung von Patchworkfamilien
Das kleine Sorgerecht soll bis zu zwei weitere Personen umfassen. Trennen sich die Eltern eines Kindes und haben beide neuer Partner, die ebenfalls aktiv in den Alltag mit dem Kind involviert sind, könnten zukünftig bis zu vier Personen das Sorgerecht für dieses Kind ausüben.
Das beträfe die Teilnahme an Elternsprechtagen, die Begleitung zu Arztbesuchen oder auch das Unterschreiben von Arbeiten und Zeugnissen. Als Queer-Beauftragter sieht Lehmann in dem Vorstoß auch eine weitere Möglichkeit, Regenbogenfamilien zu stärken.
Der Elternteil, welcher das Sorgerecht besitzt, müsste somit keine schriftliche Erlaubnis mehr erteilen, um dem anderen Vater oder der Mutter zum Beispiel alleinige Urlaubsreisen mit dem Kind ins Ausland zu gestatten. Neben den emotionalen Aspekten fließen daher auch praktische Überlegungen mit ein.
Mit dem Vorstoß ist auch Kritik verbunden
Bei kaum einem Punkt werden Familiengerichte so häufig eingeschaltet als zur Klärung des Sorgerechts von Kindern unter 18 Jahren. Das betrifft den Lebensmittelpunkt der Kinder ebenso wie zahlreiche weitere Fragen, welche die Zukunft des gemeinsamen Nachwuchses betreffen. Würde der Vorschlag von Sven Lehmann in ein Gesetz umgewandelt werden, wären auch neue Streitigkeiten vorprogrammiert. Ein Großteil aller Eltern konnte sich in der Wahl des Partners frei entscheiden.
Für die Wahl der weiteren Co-Eltern trifft dies in der Regel nur zu 50 % zu. In der Praxis könnten somit zwei Elternteile einen dritten überstimmen oder zwischen vier Eltern weitere Pattsituationen entstehen.
Fraglich ist zudem, inwieweit den Kindern ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Verwandelt sich ein neuer Partner eines Elternteils plötzlich in einen Erziehungsberechtigten, ist auch in diesem Punkt ein gewisses Konfliktpotenzial zu erkennen. Ein möglicher Gesetzesentwurf sollte daher auch zwischenmenschliche Problemfelder nicht einfach ausklammern.
Wir bleiben für Sie am Ball. BerlinMorgen.