Auflösung des hoch verschuldeten Immobilien-Riesen Evergrande
Trifft die Evergrande-Pleite auch Deutschland? – Ein plötzliches Ende und dies auch wesentlich schneller als erwartet:
Die Hongkonger Richterin Linda Chan machte an diesem Montag Tabula Rasa und ordnete die vollständige Auflösung des hoch verschuldeten Immobilien-Riesen Evergrande an.
„Ich denke, es ist Zeit für das Gericht zu sagen, genug ist genug.“ kommentierte Linda Chan in der South China Morning Post.
Mit diesem Statement schloss sie eine eineinhalb Jahre dauernde Anhörung ab. China Evergrande war wegen nicht bezahlter Kredite vor Gericht gekommen, konnte aber trotz dieser misslichen Lage keinen konkreten Vorschlag für eine Restrukturierung unterbreiten.
Mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar Schulden ist China Evergrande der weltweit am höchsten verschuldete Konzern.
Da Bauen für die Volksrepublik einer der wichtigsten Konjunkturtreiber war, denn der Immobiliensektor macht mehr als 20 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung aus, ist dieser Absturz des Immobilienkonzerns eine handfeste Katastrophe.
„In dem Fall China Evergrande veranschaulicht sich die aktuelle Immobilienkrise in konzentrierter Form“, sagt Chefökonomin Wang Dan von der Hang Seng Bank China.
Kurzfristige Folgen für China
Viele der über 4000 chinesischen Banken werden das Geld, welches Ihnen der Immobilienkonzern schuldet, nicht wiedersehen.
Zwar wurden die Kredite mit Immobilienhinterlegungen durch den Konzern vermeintlich abgesichert, aber, so führte Wang Dan weiter aus, sei nun der Wert der Immobilien und damit der Sicherheiten stark gesunken, was bedeute, dass nun auch viele weitere Unternehmen Liquiditätsprobleme hätten.
Bleibt nun die Evergrande-Pleite ein chinesisches Problem? Oder drohen gar Folgen für internationale Märkte, wie beispielsweise nach der Lehman-Pleite 2008?
Die endgültige Auflösung des mit unvorstellbaren 300 Milliarden US-Dollar verschuldeten chinesischen Immobilienkonzerns China Evergrande wirft zwangsläufig auch international eine Menge Fragen auf. Während der laufenden Anhörung gingen viele Experten davon aus, dass in Deutschland und Europa kaum Schäden entstehen werden.
Aber ist diese Einschätzung noch stabil, zumal sich die internationalen Verzahnungen meist als nicht so transparent darstellen, dass man daraus gültige Schlussfolgerungen erstellen könnte?
Eine Expertenmeinung dazu hören wir von Diplom-Volkswirt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Matthes reagiert wenig aufgeregt auf die Frage: „Evergrande war nur noch ein Zombie“, sagte der Leiter internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Montag. „Die Folgen der Auflösung werden vor allem in China zu spüren sein.“
Erhebliche Eintrübung der Konsumstimmung – Trifft die Evergrande-Pleite auch Deutschland?
Von den mehr als 300 Milliarden US-Dollar Schulden liegen nur rund 20 Milliarden im Ausland. Das sei sicherlich verkraftbar, so Matthes. „Bei den Chinesen, die häufig einen Großteil ihrer Ersparnisse in Immobilien gesteckt haben, kann es durch die Evergrande-Auflösung jedoch zu zusätzlicher Verunsicherung kommen. Die überlegen sich jetzt noch einmal mehr, wofür sie künftig Geld ausgeben werden.“
Allerdings, und diese Einschränkung macht er dann doch, würde die Konsumstimmung in China weiter sinken, würde dies mit Sicherheit auch die Absätze von Produkten deutscher oder europäischer Unternehmen auf dem chinesischen Markt negativ beeinflussen.
Für Panik sieht er noch keinen Grund. „Im Zweifelsfall wird der Staat dafür sorgen, dass die einheimischen Märkte sich beruhigen und die Konjunkturaussichten sich verbessern.“ Allerdings muss man hier anmerken, dass der chinesische Verbraucher bereits seit einiger Zeit extrem auf die Preise achten muss und da haben die einheimischen Produkte nun einmal die Nase vorn. Trifft die Evergrande-Pleite auch Deutschland?
Ähnlich sieht es auch Professor Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW). „In China werden sich die Sparneigung und der Druck auf die Währung verstärken. Außerdem werden Versuche der Kapitalflucht zunehmen, auch wenn die chinesische Regierung massiv gegensteuert“, meint der Wirtschaftswissenschaftler. „Kapital ist wie Wasser, es findet seinen Weg.“
Ankurbeln der Exporte als Lösung
Die Evergrande-Auflösung kann allerdings dazu führen, dass Chinas Regierung wieder stärker den Erfolg in Exporten sucht, warnt Langhammer. „Eine Export-Offensive und der derzeitige Preiseffekt durch den Währungsverfall könnten dazu führen, dass insbesondere chinesische E-Autos in Europa noch billiger angeboten werden als jetzt ohnehin bereits geschieht.
Dabei stöhnen die europäischen Autobauer jetzt schon“, so der IFW-Fachmann. Trifft die Evergrande-Pleite auch Deutschland?
Rein politisch gesehen könnte dies auch für Ministerpräsident Xi eine neue Betrachtung auf den russischen Invasionskrieg bedeuten, denn seine einseitige Haltung hierzu dürfte auch den ein oder anderen Kaufwilligen bei chinesischer Ware von ebendieser abhalten.
Wie IW-Experte Matthes sieht auch Langhammer das Evergrande-Problem vor allem auf chinesischer Seite. „Es gesellt sich zum Trend schlechter Nachrichten aus China“, sagt er. „Investoren überlegen sich inzwischen mehr als zweimal, ob sie noch in den chinesischen Markt gehen sollen.“
Angelehnt an der Berichterstattung von Thoralf Cleven (RND), nachrecherchiert, analysiert und kommentiert by Ingo Noack.
Trifft die Evergrande-Pleite auch Deutschland? Wir bleiben am Ball für Sie. BerlinMorgen.
Trifft die Evergrande-Pleite auch Deutschland? Foto: @LT – stock.adobe.com